Täter/innen-Lobby

Menschen, die psychische, physische und sexuelle Gewalt erlebt haben, werden ihre Erlebnisse und unfreiwilligen Erfahrungen sowie ihre daraus resultierenden Gesundheitsschäden (wie zum Beispiel die Traumatisierungsfolgen PTBS, Borderline, Dissoziative Identitätsstörung) oft durch eine "Täter/innen-Lobby" abgesprochen.

Dies kann offen oder versteckt vorkommen. 

Zur Täter/innen-Lobby zählen Personen und Institutionen, die dazu beitragen, psychische, physische und sexualisierte Gewalt nicht als Straftat zu bewerten, sie zu verharmlosen oder zu rechtfertigen, und die traumatischen Folgen für die Opfer zu leugnen. 
TäterInnen können sich auf diese Lobby stützen und damit rechnen, dass den Opfern / Überlebenden bei Durchbrechen des Schweigegebots nicht geglaubt und nicht geholfen wird und sie selber nicht entdeckt bzw. zur Verantwortung gezogen werden. 

Die Botschaften und Nachrichten der "Täter/innen-Lobby" bagatellisieren erlittenes Leiden:
- Das bildest Du Dir doch alles nur ein!
- Deine Erinnerungen stimmen nicht / sind falsch! (siehe auch TäterInnen-Lobby II)
- So schlimm wird es schon nicht gewesen sein!
- Man muss seine Eltern lieben und ehren!
- Aber sowas kannst Du doch nicht über Deine eigene Eltern sagen!
- Wenn da was gewesen wäre, dann hätte doch jemand was gemerkt!
- Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, er/sie ist doch eine so nette Person!
- Deine (Stief-)Mutter/ Dein (Stief-)Vater, dein Bruder, dein Opa... wird schon ihren / seinen
  Grund gehabt haben, Dich so zu behandeln!
- Schläge gab es damals ebend!  
- Komisch, das Du Dich erst jetzt daran erinnerst!
- Wenn das wahr wäre, warum hattest Du denn noch so lange Kontakt?
- Hast Du denn Beweise / ZeugInnen?
- Deine Mutter / Dein (Stief-)Vater wurde doch gar nicht offiziell angezeigt/ verurteilt/
  diagnostiziert...!
- Die Vergangenheit sollte man ruhen lassen!


Zudem verweigern sie sich als "wissende ZeugInnen".


Zur Täter/innen-Lobby gehört ebenso die Nutzung einer Sprachauswahl, die Gewalt verschleiert und Täter/innen "unsichtbar" macht und/oder nicht mehr ausdrücklich benennt oder aber entschuldigt. So kommen in Begriffen wie "häusliche Gewalt" Täter/innen nicht mehr vor. "Triebtäter", "Kinderschänder", "Ehrenmord", "Beziehungstaten" und "Missbrauch" liefern suggerierende und zu hinterfragende Motive in der Berichterstattung gleich mit. 

Oft handelt es sich bei den direkten oder indirekten Botschaften um Bagatellisierung, die Errichtung und Aufrechterhaltung von Schuldgefühlen und die Umkehrung der Opfer-TäterInnen-Rolle.

Meistens geschieht dies als unwissentlicher Täter/innen-Lobbyismus.
Die Vertreter/innen dieses Lobbyismus helfen, bestimmtes Gedankengut weiter zu verbreiten und leisten damit (eher unabsichtlich) den Täter/innen-Lobby-Interessen Vorschub. 
Dies mag in manchen Fällen aus einer Projektion oder aus einer persönlichen psychologischen Abwehr der Missbrauchs-Realität liegen, um sich selbst psychisch davor zu schützen.

(Un-)Bewusste Ziele und Auswirkungen:
- Absprechen des Leides, das misshandelte Kinder erfahren haben;
- Absprechen der gesellschaftlichen Verantwortung gegenüber Minderjährigen;
- Absprechen der Strafbarkeit von Misshandlungen;
- Einflussnahme auf gesellschaftliche Wahrnehmung, Gutachten, Rechtssprechung, Medien, wissenschaftliche Forschung, politische Parteien, Gesetzgebung, Opferentschädigung etc.

  

Ob wissentlich oder unwissentlich, bewusst oder unbewusst:
Für Opfer ist es unerträglich, ihren Opfer-Status direkt oder indirekt abgesprochen zu bekommen.

 

© www.borderline-muetter.de 2012-11-17, Jana Reich